Sonntag, 8. April 2007

Das musste ja einmal kommen ...

Meine Schwiegermutter war immer schon schwierig. Wirklich schwierig. Und da es mich beschäftigt, obwohl ich es immer verdrängt habe und es mir eigentlich vollkommen egal sein sollte, möchte ich hier einfach einmal den Müll loswerden.

Ich nenne sie Johanna. Johanna, also meine Schwiegermutter, lernte ich vor etwa dreißig Jahren kennen. Eine stämmige Frau, kräftige keifende Stimme, fünf Töchter in allen Altersklassen und einen Ehemann, dem sie bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit eine spitze Bemerkung an den Kopf warf. Dieser nahm es gelassen hin. Eine Seele von Mensch. Immer lustig und hilfsbereit.

Johanne hatte es noch nie so richtig mit Organisation und Haushalt. Vadder machte dann auch hin und wieder Klarschiff. Er räumte und schmiss weg. Und er erduldete die nachfolgenden, nahezu endlosen Tiraden Johannas in aller Demut. „Das hätte man noch gebrauchen können“ und „wenn ich nicht das Geld zusammenhalten würde, würden wir verhungern“ waren nur wenige ihrer Sprüche. Aber die Kinder und die Nachbarn applaudierten leise und verhalten.

Vadder verstarb vor zweiundzwanzig Jahren an Lungenkrebs. Seit zwanzig Jahren lebt Johanne allein in dem schmucken kleinen Reihenhaus. Irgendwann stellte sie sämtliche Arbeiten im und am Haus ein. Ihr Kommentar: “Wem es nicht gefällt, der kann ja wegbleiben.“ Und sie blieben weg.

Spätestens seit der Aktion schöner Garten ist das früher so hoch gehaltene Familienleben zerbrochen. Diese Aktion war eigentlich eine Hilfsaktion, an der fast alle Töchter und Schwiegersöhne Johannas beteiligt waren. Die älteste Tochter lud Johanna ein paar Tage ins Rheinland ein, Tochter zwo, drei und vier erschienen am 3.Oktober in Johannas Haus, bewaffnet mit Werkzeug, Putzmitteln und Abfallsäcken. Tochter fünf und ihre Familie ( die Johanna bis zum letzten Jahr immer heimlich unterstützt hat ) sind eine lange und unerfreuliche Geschichte für sich.

Dieser 3. Oktober vor einigen Jahren war sonnig und warm. Gleich morgens um kurz nach neun Uhr begann ein munteres Werkeln. Es wurden Fenster geputzt, Bäume und Büsche geschnitten, Beete vom Unkraut befreit, Säcke über Säcke an Gartenmüll und Abfall in die Kombis geladen. Die Nachbarn, durch das geschäftige und sehr ungewöhnliche Treiben aufgescheucht, kamen an den Zaun und dankten uns durch Zuspruch, Applaus und Eis und Getränke ( nicht nur für die mitarbeitenden Kinder).

Bei Sonnenuntergang waren wir alle fix und groggie, aber das Haus und der vordere und hintere Garten sah halbwegs manierlich aus.

Zwei Tage später holten wir Johanna vom Zug ab und brachte sie in ihr „neues“ Heim. Sie war ausgesprochen still, als sie unsere Arbeit präsentiert bekam. „Naja, sieht ja nett aus…“, sagte sie nur.

Eine Woche später riefen Nachbarn bei uns an. Johanna erzählte allen, wir wären bei ihr eingebrochen und hätten sie bestohlen. Das schöne Holz der abgesägten Sträucher und Bäume hätte sie doch verfeuern können. Die Kinder hätten ihr alle Blumenzwiebeln untergegraben oder gestohlen. Ein Blumentopf wäre zerbrochen. Alles vollkommen sinnlos zerstört. Dann hätten wir … Wir schworen alle, dass wir nie wieder bei ihr irgendetwas machen würden. Haben wir dann auch nicht. An diesem Tag kündigte ich ihr alle restliche Sympathie.

Ihr Gesundheitszustand wurde mit den Jahren schlechter. Erst reichte ein Rollator, dann ging nicht einmal mehr das. Sie wohnte im Wohnzimmer, weil sie nicht mehr die Treppe nach oben schaffte. Immer mehr Müll sammelte sich im Haus. Der Begriff Messie wurde nicht nur einmal genannt. Zu Recht. Die Jüngste kam noch hin und wieder, aber Johanna wollte keine Hilfe und redete schon recht komisch ( wieso Staub saugen? Mach lieber mal den Fleck da an der Tür weg, wenn Du hier schon Unordnung machen willst… ). Die andere Tochter ( zu der wir schon seit vielen Jahren keinen Kontakt haben ), wurde von Johanna noch regelmäßig besucht, ihr Sohn half auch im Kleingarten, aber hier ging es wohl nur um Geld. Der Stundenlohn, den sie ihrem Enkel für einfache Gartenhilfe zahlte, hätte auch für einen richtigen Gärtner gereicht. Aber seit die Forderungen wohl zu hoch wurden und Johanna den Geldhahn auf „klein“ oder „aus“ drehte, ist dort nur noch Schweigen. Als unter den anderen Schwestern angedacht wurde zu helfen – nun gebt ihr doch noch eine letzte Chance – sagten die Schwiegersöhne: Wie viele letzte Chancen braucht sie denn noch?

Fazit: Mudder ist nun ganz allein. Seit sie kaum noch in den Kleingarten gehen kann, hat sie nicht einmal mehr ihre Gartennachbarn, die sie mit Freibier bewirtete, und die nicht selten duselig vom Hof gekrochen sind.

Ihr Gesundheitszustand nahm noch weiter ab. Muskelschwund, Knochen werden porös, Gedächtnisprobleme, praktisch nicht mehr mobil. Der Rat der Kinder: Bitte geh in ein betreutes Wohnen, wir können nicht helfen ( obwohl die Älteste immer versucht, meiner Liebsten – als lokal am Nächsten – ein schlechtes Gewissen einzureden: Du könntest doch…, Du solltest…, Du bist doch… ).
Johannas Antwort: „Wenn Ihr mich hier raus haben wollt, dann nur mit den Füßen zuerst…“

Gründonnerstag war es dann soweit. Die jüngste Schwester findet Mudder auf ihrem Stuhl. Erster Verdacht – Schlaganfall. Die linke Seite komplett hin. Notarzt, Krankenhaus.

Eine Hirnblutung war es. Ärzte… na ja, die kommen ja erst am Dienstag wieder. Bis dahin kann man ja abwarten. Es geht ihr den Umständen entsprechend. Künstliche Ernährung ( Schlucken geht nicht ), Tropf usw. Große Schwester auch angereist, Blick in das verwaiste Haus geworfen ( seit 10 Jahren das erste mal ) und spontan gefragt, wie das denn nun angehen könne, dass das hier so aussieht…

Ihre Mobilität wird wohl nie wieder. Nun muss man sich Gedanken machen, wo wir sie unterbringen. Dazu muss das Haus weg. Aber ohne Mudders Unterschrift geht das nicht. Sie hat ja noch 50% daran Anteil. Wird sie die Unterschrift geben? Wer soll ihr sagen, dass sie ihr Haus nie wieder betreten wird?

Die Schwestern halten sich wacker. Ich selbst empfinde gar nichts. Das mag herzlos klingen, aber so ist es. Johanna hat ihr Leben lang Gift versprüht, andere des Diebstahls bezichtigt ( auch unsere Kinder, als sie noch klein waren ), immer schlecht über andere geredet, aus reinem Egoismus Hasstiraden ausgestreut, ihre Kinder angegiftet und untereinander ausgespielt ( wie oft ist meine Liebste nach nur einem kurzen Telefonat in Tränen ausgebrochen ) … Sie wird mir nicht fehlen. Im Gegenteil. Und auch die anderen Schwiegersöhne empfinden ähnlich.

Trotzdem graut mir vor den Monaten, die nun vor uns liegen. Spannend wird es auch, wie es unter den Schwestern zugehen wird, wenn es an das Verteilen und Bezahlen geht.

Ich stehe daneben und kann ( und will ) nichts machen und mich einmischen. Ratlosigkeit, vielleicht ein wenig Zwietracht und Gekabbel… und Mudder mitten drin und freut sich einen Stint, dass sie noch mal so richtig einen aufgemischt hat…

Es wundert mich, dass ich zu solchem Hass fähig bin …

Was ich noch sagen wollte...

Ab und zu schreibe ich eine Geschichte, ein Gedicht oder sonst irgend einen Unsinn. Nicht alle meine Gedankenergüsse finden in diesen Seiten Einzug. Aber was ich hier einstelle, ist uneingschränkt von mir.


Manche Sachen sind eher lustig, mache sollen zum Nachdenken anregen und einige mögen auch ein wenig skurril daherkommen. Einige schreibe ich aus Langeweile, einige zum ver- und aufarbeiten meiner Gedanken. Einige Geschichten sind frei erfunden, andere geben, zumindest in Grundzügen, wahre Begebenheiten wider.


Aber alle sollen Spaß beim Lesen bereiten. Mir und auch anderen Lesern.Viel Spaß also beim durchstöbern und lesen meiner Schreibereien wünscht Euch Korinthe

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